Nobelpreisträger Acemoğlu warnt: KI wird falsch entwickelt, Trump zerstört Institutionen
Im SPIEGEL-Interview äußert sich Wirtschaftsnobelpreisträger Daron Acemoğlu (MIT) äußerst besorgt über die Zukunft. Er sieht eine nie dagewesene Unsicherheit und erwartet ein turbulentes Jahr 2026, geprägt von technologischen Umbrüchen und geopolitischen Spannungen. Seine größte Sorge gilt der Kombination aus falsch entwickelter KI und der "Dummheit von Donald Trump".
Kritik am KI-Hype: Acemoğlu glaubt an das Potenzial von KI, sieht aber die aktuelle Entwicklung kritisch. Die großen Tech-Konzerne (OpenAI, Google) fokussieren auf Profite und Automatisierung, nicht auf die Unterstützung menschlicher Arbeit. Die riesigen Modelle ("stoische Papageien") seien fehleranfällig und schwer in Unternehmensprozesse zu integrieren. Er prognostiziert daher nur geringe Produktivitätsgewinne und ein geringes Wirtschaftswachstum durch KI in den nächsten zehn Jahren. Das "schreckliche Szenario": KI bringt kaum Fortschritt, vernichtet aber Jobs und drückt Löhne, weil sie gehyped wird.
Alternativer KI-Weg: Acemoğlu fordert eine KI-Entwicklung, die vom Arbeiter ausgeht. Statt "KI von der Stange" brauche es kleine, kontextspezifische Modelle, trainiert mit Firmendaten, die Mitarbeitern helfen, produktiver zu werden ("KI mit Lebenserfahrung"). Er sieht hier eine Chance für Europa, spezifische Modelle basierend auf Werten wie Datenschutz zu entwickeln, kritisiert aber die aktuelle Überregulierung, die Talente vertreibe.
Geopolitik & Trump: Acemoğlu warnt vor dem KI-Wettrüsten zwischen den USA und China, das Kooperation verhindere. Donald Trump zerstöre durch seine Angriffe auf Justiz, Zentralbank und Regulierungsbehörden die Institutionen, die Amerikas Innovationskraft und den Dollar als Leitwährung sichern. Ohne Kurskorrektur werde die US-Wirtschaft in den nächsten 5-10 Jahren "abschmieren". Eine KI-Blase an der Börse schließt er nicht aus, sieht aber eher einen breiten Boom, getrieben von gigantischen Investitionen der Tech-Giganten.
Das Interview ist eine wichtige Gegenstimme zum KI-Hype, aber Acemoğlu bleibt in einigen Punkten vage:
- Unterschätzung der Geschwindigkeit: Seine Prognose (max. 1,1 % KI-Wachstum pro Jahrzehnt) wirkt angesichts der rasanten Entwicklung von Modellen wie GPT-5 konservativ. Er selbst räumt ein, dass er sie vielleicht bald revidieren muss.
- Der europäische Widerspruch: Acemoğlu fordert eine "europäische KI" basierend auf Werten, kritisiert aber gleichzeitig die Regulierung, die diese Werte schützen soll, als Innovationsbremse. Wie beides zusammengehen soll, bleibt offen.
- Trump als Sündenbock: Die Kritik an Trumps Institutionen-Zerstörung ist valide, aber die ökonomischen Probleme der USA (Schulden, Ungleichheit) haben tiefere Wurzeln, die Acemoğlu hier kaum thematisiert.
Basierend auf Acemoğlus Analyse des "falschen Weges" wage ich diese Prognose:
- Die "Desillusionierungs-Phase" (2026/27): Die Diskrepanz zwischen KI-Hype und realen Produktivitätsgewinnen wird offensichtlich. Unternehmen, die Milliarden in "KI von der Stange" investiert haben, werden enttäuscht sein. Dies könnte der Auslöser für das Platzen der von Acemoğlu erwähnten Börsenblase sein.
- Der Aufstieg der "Vertical AI": Statt auf allmächtige LLMs zu setzen, wird sich der Markt auf hochspezialisierte, branchenspezifische KI-Lösungen ("Vertical AI") verlagern – genau die "kleinen Modelle", die Acemoğlu fordert. Start-ups, die spezifische Probleme (z.B. in der Logistik, Medizin, Handwerk) lösen, werden boomen.
- Die Rückkehr des "Human-in-the-Loop": Weil KI im komplexen Kontext fehleranfällig bleibt, werden Jobs massiv an Bedeutung gewinnen, deren Kernaufgabe die Überwachung, Korrektur und das "Fine-Tuning" von KI-Systemen durch menschliche Experten ist.
Acemoğlu bestätigt: Der Fokus muss auf der Augmentierung (Unterstützung) des Menschen liegen, nicht auf der reinen Automatisierung.
- Werde zum "Kontext-Experten": KI scheitert laut Acemoğlu oft am komplexen Kontext des Arbeitsalltags. Dein Wert liegt darin, das Fachwissen und die Erfahrung einzubringen, die der KI fehlen. Lerne, KI als Werkzeug zu nutzen, aber behalte die Kontrolle über das Ergebnis.
- Setze auf Nischen-KI: Wenn die Zukunft in "kleinen, passgenauen Modellen" liegt, dann spezialisiere dich. Verstehe, wie KI in deiner Branche, in deinem spezifischen Job helfen kann. Werde derjenige, der die Brücke zwischen Fachproblem und KI-Lösung schlägt.
- Beobachte die Regulatorik: Acemoğlus Warnung vor der Zerstörung von Institutionen ist ernst zu nehmen. In einem unsicheren Umfeld sind Jobs, die sich mit Compliance, Risikomanagement und ethischer KI befassen, krisensicherer.
