Studie zum KI-Einsatz in Schulen: Zwischen Skepsis, Realismus und der Angst vor Denkfaulheit
Josef Kraus analysiert in seinem Artikel den Einzug von KI in Schulen vor dem Hintergrund einer neuen Umfrage des Philologenverbands NRW (ca. 1.500 Lehrer an Gymnasien/Gesamtschulen, Okt. 2025).
Kernaussagen der Umfrage:
- Wandel der Haltung: Die Einstellung der Lehrer hat sich von Unsicherheit/Skepsis (2024) zu größerer Offenheit und Praxiserfahrung (2025) gewandelt. 82 % fühlen sich mit KI vertraut. Der Anteil der generellen Ablehner sank von 33 % (2023) auf 17 %.
- Nutzung im Alltag: 63 % nutzen KI-Tools (meist ChatGPT) gelegentlich oder regelmäßig. Hauptsächlich für Unterrichtsvorbereitung (43 %) und als Chatpartner (42 %). Korrekturen per KI sind selten (6 %).
- Fortbildungsbedarf: 83 % halten die Integration von KI in die Lehrerausbildung für wichtig. 58 % haben bereits Fortbildungen besucht.
- Kritischer Realismus: 62 % plädieren für einen kritischen und vorsichtigen Einsatz, nur ein Drittel für "mutiges Vorangehen".
- Herausforderungen: Größte Sorgen sind intransparente Eigenleistungen der Schüler (93 %), unzuverlässige Ergebnisse (73 %) und Datenschutz (55 %).
- Negative Auswirkungen auf Schüler: Lehrer beobachten rückläufige Eigenleistung, brachliegende kognitive Fähigkeiten, fehlende Skepsis gegenüber KI-Inhalten und sinkende Leistungsbereitschaft. Die Schere zwischen leistungsstarken (profitieren) und leistungsschwachen Schülern (sinken ab) geht weiter auf.
Der Artikel liefert wichtige Einblicke, ist aber in seiner Grundhaltung skeptisch:
- Kulturpessimistischer Rahmen: Kraus bettet das Thema in eine allgemeine Kritik an Bildungsreformen ("Nürnberger Trichter") und die "Bildungsmisere" (PISA-Absturz) ein. Dies färbt die Interpretation der KI-Nutzung negativ.
- Fokus auf Gymnasien/Gesamtschulen: Die Umfrage des Philologenverbands repräsentiert nicht alle Schulformen. Die Situation an Haupt-, Real- oder Berufsschulen könnte anders aussehen.
- Warnung vor "Denkfaulheit": Kraus warnt mit Verweis auf Kant vor Unmündigkeit durch KI ("Enteignung von Neugier, Wissen, Denken"). Dies ist ein valider Punkt, aber der Artikel bietet kaum Lösungsansätze, wie man didaktisch dagegen steuern kann.
Basierend auf der Umfrage wage ich diese Prognose:
- Das Ende der Hausaufgabe (wie wir sie kennen): Da die Eigenleistung bei häuslichen Arbeiten kaum noch prüfbar ist (93 % Sorge der Lehrer), werden Schulen bis 2027/28 klassische Hausaufgaben abschaffen oder durch kontrollierte Leistungsnachweise in der Schule ersetzen müssen.
- Der "KI-Mündigkeits-TÜV": Die Sorge vor der "Enteignung des Denkens" wird zu einer zentralen Bildungsdebatte. Es werden neue Prüfungsformate entstehen (z.B. mündliche Verteidigungen von KI-gestützten Arbeiten), die nicht das Faktenwissen, sondern die kritische Reflexion und den Prozess der KI-Nutzung bewerten.
- Die Rückkehr des "Nürnberger Trichters" als App: Trotz aller Skepsis wird die Industrie den Markt mit KI-basierten "Lern-Trichtern" (adaptive Lernsoftware) fluten. Der Druck auf Schulen, diese einzusetzen, wird wachsen, was die Debatte über die Rolle des Lehrers weiter anheizen wird.
Die Schule kämpft mit der KI-Realität. Für dich als Schüler, Student oder Elternteil bedeutet das:
- Verlass dich nicht auf die Schule: Die Lehrer tasten sich erst heran. Die wirkliche KI-Kompetenz musst du dir (oder deinen Kindern) oft selbst aneignen.
- Nutze KI als Werkzeug, nicht als Ersatz: Wenn Lehrer beobachten, dass Eigenleistung und kognitive Fähigkeiten sinken, ist das ein Alarmzeichen. Nutze KI für Recherche und Struktur, aber schreibe den Text selbst und überprüfe die Fakten kritisch. Das ist das wahre Lernen.
- Achte auf die "KI-Schere": Die Studie deutet an, dass leistungsstarke Schüler profitieren, während schwache weiter zurückfallen. Wenn du Schwierigkeiten hast, nutze KI gezielt als Tutor (z.B. um komplexe Themen einfacher erklären zu lassen), statt sie nur zum Schummeln bei Hausaufgaben zu verwenden.