Bearingpoint-Studie: Automobil- & Industrieproduktion im KI-Dilemma – Hohe Ambitionen, massive Altlasten
Eine neue "Agentic AI"-Studie der Unternehmensberatung Bearingpoint zeigt, dass die Automobil- und Industrieproduktion bei der KI-Einführung mit deutlich größeren strukturellen und kulturellen Hürden kämpft als andere Branchen, obwohl der Innovationswille vorhanden ist.
Die zentralen Herausforderungen:
- Legacy-Systeme als Bremse: 60 % der Führungskräfte sehen die Integration von KI in veraltete IT-Systeme als größte Hürde (im Vergleich zu nur 29 % in anderen Branchen). Die strukturellen Altlasten sind gravierender als überall sonst.
- Kultureller Widerstand: Organisationaler Widerstand ist weit verbreitet (51 % vs. 20 % in anderen Branchen). Tief verwurzelte Routinen und Hierarchien bremsen die Veränderungsbereitschaft.
- Doppelte Personal-Krise: Die Branche erwartet signifikant höhere KI-bedingte Überkapazitäten (heute und bis 2028) als andere Sektoren. Gleichzeitig sind die Kompetenzlücken im Umgang mit KI deutlich größer. Die Geschwindigkeit der KI-Adoption übersteigt die Fähigkeit zur Umschulung.
Die Strategie: Resilienz statt Risiko Im Gegensatz zu anderen Branchen verfolgt die Automobil- und Industrieproduktion überdurchschnittlich häufig (67 % vs. 37 %) einen KI-Ansatz, der auf Balance und Widerstandsfähigkeit setzt. Es wird mehr in zukunftssichere Roadmaps und Resilienz investiert als in klassische Umschulungsprogramme (Reskilling: nur 27 % vs. 46 % in anderen Branchen). Der Fokus liegt darauf, Mitarbeiter zu befähigen, mit Unsicherheit umzugehen, statt nur fachliche Skills zu schulen.
Die Studie liefert eine schonungslose Analyse, deckt aber auch Widersprüche auf:
- Das Reskilling-Paradox: Die Branche hat die größten Kompetenzlücken, investiert aber am wenigsten in klassische Umschulung (27 % vs. 46 %). Der Fokus auf "Resilienz" (Umgang mit Unsicherheit) statt auf harte KI-Skills wirkt wie eine Kapitulation vor der Geschwindigkeit des Wandels, nicht wie eine nachhaltige Lösungsstrategie.
- Altlasten als Ausrede? Der Verweis auf Legacy-Systeme (60 %) ist valide, darf aber nicht zur dauerhaften Entschuldigung für mangelndes Innovationstempo werden. Andere Branchen mit ähnlichen IT-Herausforderungen (z.B. Banken) scheinen schneller voranzukommen.
- Die "falsche" Kündigungswelle: Dass beim Abbau von Überkapazitäten "häufig die falschen Fachkräfte" getroffen werden, ist ein alarmierendes Zeichen für mangelhafte Personalplanung und eine "Rasierklingen-Mentalität", die langfristig Know-how vernichtet.
Basierend auf der Systemstarre und den Kompetenzlücken wage ich diese Prognose:
- Die "Industrie-Zweiteilung" (2026/27): Die Schere wird sich dramatisch öffnen zwischen den wenigen Produktionsunternehmen, die ihre Legacy-Probleme radikal lösen ("Brownfield-Revolution"), und der breiten Masse, die im "Proof-of-Concept"-Sumpf stecken bleibt. Letztere werden massiv an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, insbesondere gegenüber agileren Konkurrenten aus Asien.
- Der "Fachkräfte-Exodus": Die Kombination aus hohem Veränderungsdruck, kulturellem Widerstand und mangelnden Umschulungsangeboten wird dazu führen, dass KI-affine Talente die traditionelle Industrie verlassen und in Tech-Unternehmen oder Start-ups wechseln, wo sie ihre Fähigkeiten besser einbringen können. Der Kompetenzmangel wird sich dadurch weiter verschärfen.
- Renaissance der "Operational Technology (OT) Security": Die Integration von KI in veraltete, oft unsichere Produktionsnetze (Legacy) wird zu neuen, gravierenden Sicherheitsrisiken führen. Wir werden eine Welle von Cyberangriffen auf Industrieanlagen sehen, die über KI-Schnittstellen erfolgen, was massive Investitionen in OT-Security erzwingt.
Diese Studie ist ein Warnsignal für alle, die in der produzierenden Industrie arbeiten.
- Verlasse dich nicht auf Umschulungsprogramme: Wenn dein Unternehmen nur wenig in Reskilling investiert (wie 73 % der Branche), musst du deine Weiterbildung selbst in die Hand nehmen. Warte nicht auf das Angebot, sondern fordere es ein oder bilde dich privat fort.
- Werde zum "Legacy-Brückenbauer": Die größte Hürde ist die Integration von KI in alte Systeme. Wenn du verstehst, wie man moderne KI-Tools an alte Maschinen- oder ERP-Daten andockt (Stichwort: IIoT, Edge AI), bist du der wertvollste Mitarbeiter im Werk.
- Arbeite an deiner "Veränderungs-Resilienz": Der kulturelle Widerstand ist hoch. Sei nicht der Bremser, sondern der Treiber. Zeige, dass du bereit bist, Routinen aufzubrechen und neue, KI-gestützte Prozesse zu adaptieren. Das macht dich zukunftssicher.